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Constantin Blaß, Julia Müller, Bea Wiese, Bernd Müller, Dagmar Oltersdorf, Marie Enßle, Bernhard Hampp
Die Ente bleibt draußen: Zum 100. Geburtstag erinnern unsere Redakteurinnen und Redakteure an unvergessene Szenen und Sketche des großartigen Humoristen.
Constantin Blaß: Wann ich genau mit Loriot in Kontakt gekommen bin, weiß ich als 81er Jahrgang gar nicht mehr genau. Vermutlich war es im Zusammenhang mit der Fernsehepisode „Weihnachten bei Hoppenstedts“ (1978, nächste Ausstrahlung beim NDR am 24. Dezember, 16.40 Uhr). Ein Loriot-Highlight. Ob die Szene im Spielzeugladen (mit dem „Zipfelchen“ und dem Modellbaukasten für ein Atomkraftwerk) oder das Gedicht vom Förster und der bei Kerzenschimmer knienden Försterin (im Herrenzimmer). Ganz jugendfrei war das ja nicht. Und diskriminierend. Loriot war es egal. Der Sketch in einer Wohnung mit Vertretern, die diverse sinnlose Dinge anpreisen, ist mir auch noch bestens in Erinnerung. Ich schreibe nur Saugblaser Heinzelmann. „Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann.“ Großartig!
Julia Müller: Viel reden, ohne viel zu sagen. Es gibt Politiker, die das perfekt können. Auf die Spitze trieb Loriot diese phrasenreiche Inhaltsleere 1972 mit der Rede eines Bundestagsabgeordneten: „Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenigen Worten zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms.“ Das ist zeitlos witzig. Wie viele andere Sketche von Loriot, der vor allem mit Evelyn Hamann brillant war. Etwa, wenn die beiden das Rollenbild der Frau in den 1970ern vorführten. Mit Frau Hoppenstedt, die das Jodeldiplom machte, denn „gerade eine Hausfrau mit Familie sollte eine abgeschlossene Berufsausbildung haben“, „was Eigenes“. Einfach grandios.
Bea Wiese: Die Präzision, mit der Loriot seine Texte über die Rampe brachte, gilt als legendär. Sich als Schauspieler den Text so hindeichseln, wie er einem in den Kram, sprich, in die Szene passte? Bei Loriot war das strengstens verboten! Nicht nur der Text, vor allem der Tonfall machte bei ihm die Musik. „Ach was!“ - zwei Worte, eine Tonalität, die einen ganzen Menschen charakterisierten: Heinrich Lohse etwa, den Einkaufschef der Deutsche-Röhren-AG und plötzlichen Ruheständler in „Pappa ante portas“. Oder das „abgezapft und original verkorkt von Pahlgruber und Söhne“ - immer wieder köstlich die Szene des feucht-fröhlichen Vertreterbesuchs inklusive Weinverkostung. Generationen überdauert inzwischen auch in meiner Familie der Spruch, ohne den Heiligabend kein Weihnachten wird: „... dann wird ausgepackt und dann machen wir es uns gemütlich!"
Bernd Müller: „Thöööölke“. Man brauchte, als Kind in den 70er-Jahren, gar nichts zu wissen über den Mann. Brauchte den Namen Loriot nicht kennen, um ihn toll zu finden. Weil seine Figuren ja zum Leben dazugehörten. So wie Donald Duck, mit dessen Geschichten aus einem Lustigen Taschenbuch der Nachmittag schnell rumging. Abends dann Wum und Wendelin im Fernsehen, die Zeichentrick-Sidekicks von Wim Thoelke im Quiz „Der große Preis“. Schlaue Bildungsfragen, ein superstrenger Schiedsrichter, Kandidaten in orangefarbenen Sitz-Kapseln, alles ganz spannend. Aber die zwei Minuten mit Hund Wum und Elefant Wendelin, gezeichnet und gesprochen von Loriot, wie ich viel später erfuhr, waren für mich das Beste. Ganz bestimmt auch wegen des warmherzigen, heimlich-klugen Humors von Loriot. Daaaanke!
Marie Enßle: Herrlich komische Szenen gibt’s in Loriots Spielfilm „Pappa ante portas“ (1991), in dem Loriot als Einkaufsdirektor Heinrich Lohse in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird und zuhause zum Leidwesen seiner Frau Renate – die fantastische Evelyn Hamann – als pedantischer Frührentner den Haushalt umstrukturiert und pures Chaos anrichtet. Er übernimmt den Einkauf, besorgt palettenweise Senf wegen des Mengenrabatts, möchte einen Mixer reparieren und hinterlässt eine renovierungsbedürftige Küche. Während Renate ihm den Keller als „eigenes Reich“ schmackhaft macht, „damit du niemanden, äh, damit DICH niemand stört“, lädt Lohse ein Filmteam ins Haus, um eine beliebte Fernsehserie im heimischen Wohnzimmer abzudrehen. Am Ende wollen die Lohses ihre Ehe retten und „was Sinnvolles“ unternehmen: Sie geben ein dilettantisches Blockflöten-Konzert. Fantastisch! Den Film gibt’s kostenlos in der ARD-Mediathek.
Bernhard Hampp: Dürfte ich zunächst meine Mutter grüßen? Mutter, hier bin ich. Nein, hier! Kannst Du mich deutlich hören? Pardon, ich hänge im Schritt. Wie meinen? Ich? Was ich überhaupt auf dieser Zeitungsseite verloren habe? Ich muss doch sehr bitten. Ich habe diesen Zeitungsplatz beim Preisausschreiben gewonnen. Zur freien Verfügung. Man musste Silben in die richtige Reihenfolge bringen. Da stand: Brat brat fett ohne los mit mit... wie bitte? Schon zu Ende, der Platz?
Dagmar Oltersdorf: Kennt das jemand nicht? Man sitzt beim Italiener am Tisch und irgendwie entfleucht einem trotz aller Besteckakrobatik ein Fitzelchen Spaghetti. Meist landet das auf dem Boden. Undenkbar bei Loriots „Nudel“-Sketch. Als gescheitelter Herr ohne Namen schmiert er sich das wurmartige Teigröllchen beim romantischen Essen mit Hildegard von der Serviette direkt unter die Oberlippe. Wo eben noch schweigsam gelöffelt wurde, hypnotisiert jetzt nicht der Monolog des Schnösels, sondern die durchs Gesicht wandernde Nudel. Die nicht weichen will. Trotz Hildegards: „Sie haben da was“. Und weil Loriot die besten Situationspointen hat, landet die Nudel am Ende in der Kaffeetasse. Schuld daran ist - klar - der Kellner. Der ist Italiener und wurde schon zuvor beleidigt. Das alles ist ein wenig ekelig, so zeitlos, dass man sich heute noch fremdschämt, aber auch saukomisch. Immer wieder. Zu sehen ist die Nudel in der Mediathek der ARD.
Author: Mark Ochoa
Last Updated: 1702029004
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